Drei Tänzer*innen performen im Stil von Break Dance

Von Schüler*innen geprüft

Wie Jugendliche das Pop Up Tie Break von Constantin Trommlitz mitgestaltet haben

Bereits im Probenprozess besuchen explore dance-Künstler*innen Schüler*innen, diskutieren mit ihnen die Themen der Choreographien, zeigen erste Ausschnitte oder laden sie zu Proben ein. Wie erleben Jugendliche die Entstehung einer explore dance-Tanzproduktion an ihrer Schule?

Für die Hamburger Neuproduktion Tie Break arbeiteten Choreograph Constantin Trommlitz und seine Tänzer*innen eng mit dem Profilkurs Theater des Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium zusammen. Im Interview erzählen die Schüler*innen Mila (17) und Gianluca (17) wie sie den Prozess erlebt haben und was das Besondere daran ist, so eng in den Entstehungsprozess einer Tanzproduktion eingebunden zu sein.

Ein Interview von Katrin Breschke, explore dance-Projektleiterin in Hamburg | 12. September 2025

Beschreibt mal einen ganz normalen Schultag im Unterschied zu einem Tag, wo jemand von außen – wie wir – dazu kommt. Was ist da anders?

Gianluca:

Der Unterschied, wenn jemand von außen kommt: Das haben wir in den meisten Fächern nicht. Das findet im Kunstprofil statt. Wir machen Exkursionen in die Kunsthalle oder ins Theater.

Mila:

Das Besondere, wenn jemand von außen dazu kommt, ist, dass die Atmosphäre anders ist. Also ich finde das immer ganz cool, das ist sowas Neues und Spannendes. Und es ist einfach nicht der Alltag. Es ist neu, es passiert etwas, man öffnet sich ein bisschen.

Und auch gerade mit euch, das war voll cool, wenn man Tanz und Theater von einer anderen Seite sieht und nicht nur die ganze Zeit als Zuschauer*in da ist, sondern auch als Mitbestimmer*in. Dass wir mit überlegen konnten, was könnte man noch so machen…

Gianluca:

Wenn wir im Theater sind und zuschauen, dann denkt man auch, was könnte das bedeuten. Aber wenn man vorher den Arbeitsauftrag hat, dass man selbst mitgestalten kann, was man besser machen kann, das hat mir schon sehr gut gefallen. Wenn man was Abstraktes oder etwas mit Tanz anschaut, dann finde ich das sehr spannend. Es ist viel schwieriger zu reflektieren und Verbesserungsvorschläge zu geben. Aber es regt zum Denken an. Und die Erfahrung können wir dann natürlich auch in unser eigenes Theaterstück einbauen und deswegen ist das so ein besonderer Input.

Hattet ihr Berührungsängste, als ihr erfahren habt, dass ihr euch als nächstes mit Tanz und Choreographie beschäftigt?

Gianluca:

Nein, Berührungsängste gibt es nicht.

Mila:

In unserem Profilkurs kann ich mehr ich selbst sein, als vielleicht in Kursen mit Leuten, wo mir irgendetwas peinlich wäre oder ich einfach ein bisschen angespannter bin.

Gianluca:

Als ihr zum Beispiel das erste Mal da wart, hatten wir am Schluss eine Performanceeinheit gemacht. Mit Übungen wie durch den Raum laufen und irgendwelche bestimmten Sachen machen oder uns irgendwie verhalten, wie zum Beispiel „sich unterdrückt fühlen“ oder „sich beobachtet fühlen“. Ich fand es schwer da reinzukommen, also vor allem in ganz expressive Bewegungen oder dass man abstrakter denkt. Aber da haben auch die Tänzer*innen mitgemacht und das war wie eine Inspiration. Ich finde, wenn man kein professioneller Tänzer ist, dann ist das für jeden erst einmal eine Überwindung. Aber da hat niemand gesagt „der hat das soundso gemacht und das war komisch.“

Schüler*innen stehen in einem offenen Kreis in der Schulaula und proben ein neues Stück
Schüler*innen stehen im engen Kreis in der Schulaula und proben ein neues Stück

Wie war das bei unserem ersten Besuch bei euch? Ich erinnere noch, ihr kamt aus einer Mathearbeit und wart mit dem Kopf ganz woanders. Ihr wusstet, dass wir kommen aber nicht, worum es geht. Richtig?

Mila:

Für mich war die Mathearbeit gar nicht gut. Und dann war das schön, sich so voll davon lösen zu können. Ich habe zugeguckt und mich rein gedacht und war nicht mehr so in meinem Kopf drinnen.

Gianluca:

Ich fand auch den Ablauf gut. Wir wussten gar nicht, was auf uns zukommt. Und dann sind wir reingekommen und haben erstmal 15 Minuten geschaut und eine Idee von der Richtung bekommen. Und danach gab es die gemeinsame Reflexionsrunde. Und beim zweiten Mal haben wir was Neues gesehen und dann noch einmal neue Ideen gesammelt und miteinander verbunden.

Schüler*innen stehen in der Aula in einem großen Kreis

Habt ihr das Gefühl, der Profilkurs Theater ist ein Fach, wo ihr mehr mitbestimmen könnt als in anderen Fächer?

Gianluca:

Auf jeden Fall.

Mila:

Man kommt richtig aus sich raus, jeder darf seine Ideen einbringen und so entwickelt sich was. Das finde ich total schön.

Gianluca:

Sicher kann man die Fächer Mathe und Theater nicht vergleichen, weil das eine ist Frontalunterricht und beim anderen kann man selbst mitbestimmen. Und es gibt auch zwischen Theaterlehrer*innen Unterschiede. Aber wenn man nur zuschaut und nicht selbst mitmacht, dann ist es was anderes, als wenn man selbst auch die Gedankengänge dahinter weiß oder den Prozess erlebt. Und das ist auch so, wenn man mit anderen wie euch zusammenarbeitet. Auch wenn wir nicht direkt in der Choreo mit drin sind, dass wir aber mit euch zusammen reflektieren, da lernt man auch mehr.

Mila:

Das einzige Fach, mit dem man das vergleichen kann, ist wahrscheinlich Kunst.

Gianluca:

Aber im Theaterkurs arbeitet man mehr zusammen.

Mila:

Ich finde vor allem im Vergleich zu den ganzen anderen Fächern sind das die Fächer, bei denen man am meisten sich selbst als Schüler*in sieht, mitarbeitet und es Mitbestimmung gibt. Ich würde sagen, der Profilkurs Theater ist mit Abstand der Unterricht, wo die meisten Leute lachen. Und es ist kein Auslachen, sondern man lacht miteinander und man hat einfach Spaß. Und das ist schön.

Gianluca:

Bei Constantin und eurer Choreographie hatten wir beim ersten Mal nicht kritisiert, aber den Vorschlag gemacht, dass wir die synchronisierten Parts sehr cool und wichtig finden. Dass das so harmoniert hat, wenn sie zusammen, als Gruppe agiert haben. Das haben wir dann beim fertigen Stück wiedererkannt, dass das so zusammengeführt wird. Da haben wir uns gehört gefühlt.

Mila:

Auch generell, dass wir die Möglichkeit hatten, diese Tipps, das Feedback abzugeben, das war schön. Dass wir so gehört wurden.

Drei Tänzer*innen bewegen sich in einer Kleiderstange mit Rollen

Wenn ihr das Stück jemand anderem beschreiben solltet, worum geht es und warum sollte man sich das anschauen? (Sie überlegen). Vielleicht geht es für euch auch um verschiedene Themen.

Gianluca:

Am Anfang ging es so um die Rolle der Frau. Wenn man aber jetzt ins gesamte Stück schaut, dann kann man auch einfach sagen…

Mila:

Ausgrenzung eines Individuums.

Gianluca:

Ja, also dass es nicht unbedingt nur um eine Frau ging, auch wenn es von einer Frau verkörpert wurde. Das Thema Ausgrenzung und auch Einrahmung durch die Gesellschaft, dass man nicht so individuell sein kann, dass es wie ein Kampf ist, durchgehend – das alles zusammen ist so ein wichtiges Thema, das man auf viele Bereiche und Altersgruppen beziehen kann. Deswegen ist es einfach wichtig, sich das anzuschauen.

Wenn wir vorher Choreos angesehen haben, dann waren das meistens immer eher gleiche Tanzstile. Ich fand das sehr spannend, dass hier alles so harmoniert hat, obwohl es drei verschiedene Tanzstile waren. Und vor allem auch der letzte Part hat uns gefallen.

Mila:

Der Gesichtsausdruck wurde glücklich, alle haben so gelächelt.

Ein Tänzer bewegt sich durch ein schwarzes offenes Metallgestell
3 Tänzer*innnen performen und schauen dabei lächelnd in die Kamra

Was ist euer Tipp für Menschen, die Angst haben, dass sie Tanz nicht verstehen? 

Mila:

Ich finde mitmachen ganz wichtig. Also dieses reingebracht werden als Schüler*in…

Gianluca:

Zum Beispiel durch die Probenbesuche und Workshops.

Ich würde einfach allgemein sagen, das kann man auf das ganze Leben beziehen: Wenn man Angst vor irgendwas hat, vor allem vor Kreativem, verpasst man so viel.

Jetzt sind wir zu euch gekommen und hatten schon eine Stückidee. Constantin hatte Themen, zu denen er choreographisch arbeiten wollte. Wenn ihr noch davor mitbestimmen könntet, zu welchem Thema sollte es mal ein Tanzstück geben?

Mila:

Was mir jetzt so spontan in den Kopf kommt, dass ich auch soziale Probleme ansprechen würde. Interessant wäre ein Konflikt zwischen Alt und Jung.

Gianluca:

Es gibt bestimmte Themen, die sehr abgedeckt werden, z.B. Suizid, wie man sich in der Gesellschaft fühlen kann, LGBTQ. Das sind Themen, die sind absolut wichtig, aber dazu gibt es schon vieles. Es sollten Stücke sein, wo jeder Bezug hat, aber vielleicht keiner drüber nachdenkt, dass das eigentlich ein Problem ist.

Mila:

Zum Beispiel Konsum von Handy.

Gianluca:

Oder das Thema KI. Einfach über den Wandel, über den Einfluss von Digitalisierung auf alle und auf Kinder, die damit aufwachsen.

Mila:

Ich fand aber auch die Themen, die Constantin angesprochen hat, total cool, weil wir uns alle damit identifizieren konnten.

Wenn man ein Stück sieht, wo man merkt, dass man sich direkt damit identifizieren kann, vor allem als Jugendlicher, dann ist das leichter, das zu gucken und sich reinzudenken und Spaß zu haben. Das war bei euch auf jeden Fall so.

Das hat echt immer Spaß gemacht, das zu gucken und mitzudenken.

Drei Tänzer*innen stehen eng beieinander und performanen dynamisch in verschiedenen Tanzstilen

Gianluca:

Wir haben ja auch darüber gesprochen, für welche Altersgruppe das Stück ist. Das Thema ist relevant für alle Altersgruppen und wenn man das Fünftklässlern vorführt, dann setzen die sich mit den Themen vielleicht noch nicht bewusst auseinander. Aber wenn man vielleicht noch ein bisschen Information dazu bekommt, oder durch die Fragen im Workshop, da sind dann schon Allgemeinsituationen drin, dass man das auch jüngeren Kindern näherbringen kann.

Ist es wichtig, dafür im Probenprozess schon im Austausch mit der Zielgruppe zu sein?

Gianluca:

Mila:

Finde ich schon, ja.

Voll.

Könnte man so einen Stempel drauf machen „geprüft von …“

Gianluca:

Auf jeden Fall!

Ist es ein Unterschied, ob Tanzaufführungen hier zu euch in die Schule kommen, oder ihr ins Theater geht?

Gianluca:

Schule ist ein gewohntes Umfeld.

Mila:

Heimeliger.

Gianluca:

Für so eine Aufführung, wo man mitbestimmt, finde ich es an der Schule besser, weil man sich dann ein bisschen besser einfühlen kann.

Mila:

Man kommt mehr aus sich raus. Ich glaube, wenn ich in einem Saal sitzen würde, wahrscheinlich auch noch mit anderen Leuten, würde ich nichts oder weniger sagen. Und jetzt hier, fühlt man sich sehr gesehen.