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Eine Tänzerin und ein Tänzer in weißen Kostümen performen auf der Bühne

„Hauptsächlich ging’s ums Herz“

Ein Gespräch zum Pop Up KOSMOKÖRPER der brasilianischen Choreographin Elisabete Finger

Die Theaterpädagogin und Lehrerin an der Potsdamer AWO-Grundschule, Chica Schmidt, begleitete als explore dance-Projektpartnerin mit ihrer Grundschulklasse den Entstehungsprozess des Pop Ups KOSMOKÖRPER. Im Interview erklärt sie, warum Projekte wie dieses Kindern neue kreative Frei- und Bewegungsräume ermöglichen – und wie spielerische Workshops, rhythmische Herzschlag-Bewegungen und das Zeichnen eigener Körperumrisse die jungen Teilnehmer*innen begeisterten.

Von Astrid Priebs-Tröger | 19. Dezember 2024

Wann war Ihre erste Begegnung mit explore dance? Wie sind Sie zur Partnerin von KOSMOKÖRPER geworden?

Wir hatten vorher schon Kontakt mit der fabrik Potsdam, hatten mehrere Pop Up-Stücke als Aufführungen bei uns in der Schule zu Gast und wurden deshalb als Projektpartner*in für KOSMOKÖRPER angefragt. Das war im Herbst 2023. Im Sommer 2024 war ich mit Schüler*innen der 1. und 2. Klasse zu einem Workshop in der fabrik. Der wurde super angenommen, die Kinder hatten Spaß. Vor allem bei den Bewegungen, die dort ausprobiert wurden und mit dem Malen auf Tapetenbahnen.

Kinder schauen einem Tanzstück zu

Es ging sehr viel um den Herzschlag – Düdüm Düdüm – das haben die Schüler*innen auch danach selbst aufgegriffen. Teilweise auch ihre Lernbegleiterin, das kann man ja auch super in einen Morgenkreis einbinden. Hauptsächlich ging‘s ums Herz und dann haben die Kinder auf Tapetenrollen ihre eigenen originalgroßen Umrisse gezeichnet. Ein Kind legte sich auf den Boden auf das Papier, das andere umrahmte seinen Körper mit dem Stift. Ihre eigenen Körperumrisse befüllten die Kinder dann und malten sie aus:  Welche Organe sind in euch? Was habt ihr heute gefrühstückt? Wo ist dein Herz? Das Stück befand sich ganz am Anfang und die Idee der Choreographin war, Einfälle der Kinder aufzugreifen und diese mit in die Stückentwicklung einzubeziehen. Dabei ging es vor allem um Bewegungsideen, aber auch darum zu sehen, wie die Kinder generell auf die Thematik reagieren.

Ein Kind liegt auf einer Papierbahn während eine Lehrerin seinen Körperumriss abzeichnet
Kinder betrachten eine Papierbahn mit einem ausgemalten Zeichnung eines Körperumrisses
Ein Kind liegt auf einer Papierbahn während ein anderes Kind seinen Körperumriss abzeichnet

Was passierte außer diesem Workshop, welches Material gab es zur Vor- und Nachbereitung?

Es gab zwei Workshops – einen in der fabrik, einen in der Schule – und eine erste Probevorstellung in der Schule, in dem die Kinder einen Ausschnitt des Stückes eineinhalb Wochen vor der Premiere sahen und im Anschluss den Künstler*innen Feedback gaben. Rückmeldung der Kinder nach dieser Vorstellung war, dass das Stück nicht zu lang ist. Und auch, dass sie viel gesehen und erkannt haben. Sie können schon in diesem Alter mit Abstraktheit gut umgehen.

Es wurde bereits im ersten Workshop deutlich, dass einige Schüler*innen bereits viel über ihren Körper, die Prozesse und Abläufe in ihm wissen. Sie waren allerdings erstaunt über den Schritt – vom Workshop, wo das Team sich noch in der Recherche befand – bis zur Probevorstellung, wo schon in Bildern, Projektionen und choreografischen Elementen das eigentliche Stück deutlich sichtbar wurde. Sie spiegelten, dass sie die Übungen und Spiele aus den Workshops in der Choreographie des Stückes erkannten.

Ausgmalte Zeichnung eines Körperumrisses

KOSMOKÖRPER von Elisabete Finger stellt wie der Name schon sagt, eine Verbindung zwischen Körper und Kosmos her. Sie durchdringen darin einander, überlagern sich.

 

Wie führt man Grundschüler*innen an so eine komplexe Thematik heran?

Na hauptsächlich mit viel Bewegung. (lacht) Die Choreographin und die beiden Performer*innen haben zahlreiche Bewegungsangebote gemacht. So ein ganz eindrückliches Beispiel war ein Kreis, den alle zusammen gebildet haben. Der entstand aus einer sehr quirligen Situation heraus und dann wurde über gegenseitiges Klopfen dieser Herzschlag-Rhythmus in Stille weitergegeben und empfangen. Immer mit den eigenen Händen auf den Rücken des Anderen. Das war sehr berührend. Bei dem ersten Workshop ging es zuerst um den eigenen Körper. Welche Organe, welche Geräusche kennt ihr? Wie schlägt das Herz? Die andere Ebene – Projektionen des Kosmos – haben unsere Schüler*innen dann in der Probevorstellung gesehen.

Kinder schauen bei einer Probe eines Tanzstücks zu
Kinder bewegen sich in einem Tanz-Workshop

Wie gelang die Kommunikation mit der Regisseurin und den beiden englischsprachigen Performer*innen?

Die Kommunikation war ziemlich unproblematisch. Da Johanna Simon von der fabrik Potsdam in den Workshops übersetzte und unsere Kinder auch in der Schule Englisch lernen. Sie konnten auch selbst Fragen stellen und das wurde dann übersetzt. Die Kinder fanden das spannend, denn da hatten sie mal ein Beispiel, wofür man Englisch lernt. Sie haben intensiv zugehört, auch um herauszukriegen, ob sie selbst schon etwas verstehen.

Kinder sitzen um eine Lehrerin, die ihnen ein Bild auf dem Notebook zeigt

Wie haben Sie sich selbst dem Thema genähert, wie die Kinder konkret begleitet?

Es gab umfangreiches Vor- und Nachbereitungsmaterial, auch mit praktischen Übungen und Zusatzinformationen zum Stück und den Inhalten, das im Vorfeld verschickt wurde. Wahrnehmungsübungen zum Thema Körper waren darin. Ich selber habe mich nicht explizit darauf vorbereitet, weil das Thema in meiner theaterpädagogischen Praxis ständig auftaucht. Ich bin mit den Kindern in die fabrik gefahren und habe mich überraschen lassen. In der Nachbereitung des Workshops haben wir es dann noch einmal aufgegriffen.

Wie wurden die innen-außen Ebenen des Stücks thematisiert? Wie haben die Kinder darauf reagiert, wie hat es auf sie gewirkt?

Das ist ein sehr komplexes Thema und wenn wir das Projekt noch einmal so machen würden, würde ich eher Fünft- und Sechstklässler dafür vorschlagen. Erst- und Zweitklässler sind noch sehr junge Menschen, deren Aufmerksamkeitspanne kürzer als die der Älteren ist.

Das Innen und Außen wurde beim Malen schon angeboten, aber ob das wirklich bei allen angekommen ist, da bin ich mir nicht ganz sicher. Eine Ausnahme gab es: Ein Junge konnte sehr bildhaft erläutern, was da alles in seinem Körper vorgeht, wenn er frühstückt, wohin das Gegessene sich auf den Weg macht und wie die Prozesse im Körper stattfinden. Beim Erstaunen der Runde darüber beschrieb er sich selbst mit den Worten „ich bin ein kleiner Arzt.“

Natürlich haben auch die anderen Kinder etwas mitgenommen und Ideen gesammelt, und sie haben eine Theaterform erlebt, die sie so, außerhalb der Schule, nicht erleben würden.

Kinder sitzen in einer Gesprächsrunde zu einem Tanszstück den mit Künsterlinnen zusammen
Kinder sitzen in einer Gesprächsrunde zu einem Tanszstück den mit Künsterlinnen zusammen
Zwei Tänzerinnen performen in gelben Licht auf der Bühne
Zwei Tänzerinnen performen auf einer Bühne im grünen Licht

Worauf musste man in den Workshops achten? Welche Herausforderungen gab es? Welche Highlights? Was hat den Schüler*innen am meisten Spaß gemacht?

Herausfordernd für jüngere Kinder war schon die Anfahrt. Die gemeinsame Fahrt mit Bus und Bahn, der unbekannte Raum in der fabrik. Neue, unbekannte Menschen. Was den Kindern am meisten Spaß machte, waren die unterschiedlichen Bewegungssachen, die sie auch hinterher in die Schule mitnahmen.

Das Highlight in dem ganzen Prozess war dann die Aufführung, die abschließend in der Schule stattfand. Es gab große AHA- Momente bei der fertigen Choreographie – hier auch der Bogen von innen nach außen beim Betrachten der Projektionen, eigene Assoziationen zu Pflanzen, die wie Körperteile aussahen. „Ist das eine Brust? Oder ein Kaktus?“, „Essen sie die Handschuhe wirklich?“

Gefühle wurden stark erlebt, sowohl als Irritation als auch Faszination. Und die Begegnungen mit den beiden Performer*innen. Insgesamt war deutlich zu spüren, wie offen die Kinder nach den mehrfachen Begegnungen für das künstlerische Team waren, wie beiderseitige Vertrautheit entstand.

Sind Ideen der Kinder, die in den Workshops entstanden, in die Performance eingeflossen?

Wenn ja, welche?

Das Thema Verdauung war bereits im ersten Gespräch ein Thema: Was habt ihr heute Morgen gegessen? Ins Stück eingeflossen sind aber auch andere Assoziationen von ihnen, bildhaft besonders in den Projektionen – wie beispielsweise Flüsse in uns drinnen und um uns herum. Oder die Müll-Thematik.

Zwei Tänzerinnen performen auf der Bühne im blauen Licht

Wie reagierten die Kinder während der Aufführung und in den Gesprächen danach?

Die Aufführung fand in der Schule im Theaterraum statt. Vor insgesamt 50 Kindern, also auch vor solchen, die nicht am Entstehungsprozess beteiligt waren.

Die Kinder haben unterschiedlich reagiert. Viele waren begeistert, fasziniert von dem was sie gesehen haben und einige haben hinterher auch noch Fragen gestellt und Fragen beantwortet: Was habt ihr gesehen? Was habt ihr gefühlt? Hat euch etwas irritiert? Auch viele technische Fragen: Woher kommt der Rauch? War das alles unter dem weißen Kittel?

Es gab auch Kinder, für die das Gesehene sehr fremd war. Das ist völlig okay – und genauso werden dann aber auch die Fragen im Nachgespräch gestaltet – dafür sind diese Gespräche da. Für viele Kinder ist es das erste Mal, so eine Form von Tanz zu sehen.

Kinder schauen auf die Bühne mit einem Tanzstück
Kinder schauen einem Tanzstück mit bunten Lichteffekten zu
Kinder schauen einem Tanzstück mit zwei Tänzerinnen in buntem Licht zu

Was machen Tanzprojekte wie diese in der Zusammenarbeit mit den beteiligten Kindern, mit den Pädagog*innen? Wurde das Projekt in den regulären Unterricht eingebunden?

Ja, das Projekt wurde in den Unterricht eingebunden, es gab ja die Themensammlung und die Vor- und Nachbereitung. Wir haben nochmal mit den Kindern gesprochen – das machen wir nach jedem Theaterbesuch – und es ist toll, wenn sich die Schüler*innen gemeinsam mit Tanz-Profis bewegen können. Für alle sind es andere, nichtalltägliche Begegnungen, ein Austausch auf Augenhöhe und ein Miteinander sein und -lernen. Und immer kommt auch die Frage an die Tänzer*innen: Ist das euer Beruf?

Kosmokoerper_Elisabete Finger und Team_Foto Giulia del Balzi

Ihr ganz persönliches Fazit am Ende?

Es war und ist ein Superprojekt. Weil ich denke, dass in unserer gegenwärtigen Gesellschaft Kindern vor allem kreative Frei- und Bewegungsräume fehlen. Ich hoffe, dass noch sehr viele Schulen an diesem Projekt teilnehmen können.

Chica Schmidt ist Theaterpädagogin und arbeitet an der Potsdamer AWO-Grundschule „Marie Juchacz“, die ein theaterpädagogisches Profil hat und 2025 zehn Jahre alt wird. Chica Schmidt arbeitet mit allen Lerngruppen, auch jahrgangsübergreifend und immer projektbasiert.

Johanna Simon arbeitet als künstlerische Leiterin von explore dance in der fabrik Potsdam.

Das Gespräch führte Astrid Priebs-Tröger, die als freie Kulturjournalistin in Potsdam lebt und arbeitet.

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